Liegt es am Bedürfnis oder an der Bekanntheit?
Was mit dem Ja am 27. September 2020 und der Einführung auf den 1. Januar 2021 begann, ist offenbar nicht so ein Renner: Der Vaterschaftsurlaub wird weniger benutzt als man erwartet hat. Zumindest kann man dies den Medien entnehmen (Beitrag SRF vom 7.4.22 oder Luzerner Zeitung vom 26.4.22). Die damaligen Gegner der Einführung des Vaterschaftsurlaubs mögen sich jetzt bestätigt fühlen. Aber vermutlich ist es zu früh, um ein Urteil zu fällen. Zuerst sollte man dafür sorgen, dass das Institut bekannt wird.
Gutes Merkblatt der Ausgleichskasse
Die Ausgleichskassehat ein informatives und leicht verständliches Merkblatt publiziert, welches unter Downloads bei correct.ch heruntergeladen werden kann. Anspruch auf Vaterschaftsurlaub haben alle Väter, ob verheiratet oder nicht, ob selbständigerwerbend oder angestellt. Der Vaterschaftsurlaub beträgt 10 Arbeitstage oder zwei Wochen und muss in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes wochen- oder tageweise bezogen werden. Finanziert wird der Urlaub über ein Taggeld von der Erwerbsersatzordnung. Das Taggeld beträgt 80% des vor der Geburt durchschnittlich erzielten Einkommens. Die Abrechnung des Taggeldes erfolgt bei angestellten Vätern über den Arbeitgeber.
Einige rechtliche Fragen bleiben
Wie damals bei der Mutterschaftsversicherung ist es auch beim Vaterschaftsurlaub so: Einzelne Branchen und Arbeitgeber haben bereits Vaterschaftsurlaube finanziert. So auch im Hotel- und Gastgewerbe. Nach Art. 20 L-GAV hatten die Väter Anspruch auf fünf Tage Urlaub bei Geburt des Kindes. Unklar ist nun, ob dieser Vaterschaftsurlaub nach L-GAV durch den allgemeinen Vaterschaftsurlaub des Bundes quasi kompensiert wird. Wir wissen es nicht. Da der L-GAV jeweilen auf den 1.1. des Jahres aktualisiert wird und beispielsweise auf 2022 die Mindestlöhne leicht erhöht wurden, wäre es logisch gewesen, man hätte Art. 20 L-GAV angepasst. Dieser lautet aber immer noch gleich wie vor dem Vaterschaftsurlaub des Bundes und wurde nicht angepasst. Zudem muss der Vaterschaftsurlaub nach Art. 329g OR nicht zum Zeitpunkt der Geburt bezogen werden, was beim Vaterschaftsurlaub des L-GAV wohl eher der Fall ist. Es gibt also gewisse Argumente dafür, dass im Gastgewerbe insgesamt 15 Tage Vaterschaftsurlaub bezogen werden dürfen. Wissen tun wir es aber nicht.
Wer bestimmt den Zeitpunkt des Vaterschaftsurlaubes?
Nicht gänzlich klar ist auch, wer den Zeitpunkt des Urlaubs bestimmt. Immerhin soll dieser ja von seinem Zweck her der jungen Familie dienen und deshalb muss der Vater stark mitreden dürfen, wann er den Urlaub bezieht. Nur ist Vaterschaftsurlaub im OR im Kontext zu den Bestimmungen über die Ferien in Art. 329g OR geregelt. Diese bestimmt bekanntermassen der Arbeitgeber (Art. 329c Abs 2 OR), wobei auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen ist. Klar scheint uns, dass im Falle des Vaterschaftsurlaubes die Interessen des Arbeitnehmers sehr hoch zu werden sind. Aber damit dürfte noch nicht das Recht verbunden sein, den Zeitpunkt des Urlaubs selber bestimmen zu können. Das letzte Wort dürfte weiterhin der Arbeitgeber haben. Man darf auch hier gespannt darauf sein, wie sich die Sichtweise dazu entwickelt.
Vaterschaftsurlaub und Kündigung
Ebenfalls neu ist Art. 335c Abs. 3 OR, wonach die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstage verlängert wird, wenn Arbeitgebende das Arbeitsverhältnis kündigen bevor Arbeitnehmende ihren Anspruch auf Vaterschaftsurlaub im Sinne von Art. 329g OR beziehen konnten. Wiederum unklar ist, ob das Anstellungsverhältnis bloss um die Tage des Vaterschaftsurlaubes verlängert wird – das ja zu einer Beendigung mitten im nächsten Monat führen würde – oder ob dann das Anstellungsverhältnis erst auf Ende des nachfolgenden Monats endet.
Arbeitnehmende, die innerhalb der sechsmonatigen Bezugsfrist die Arbeitsstelle wechseln, verlieren ihren Anspruch auf Vaterschaftsurlaub jedoch nicht. Die Ferientage, die sie bei ehemaligen Arbeitgebern noch nicht bezogen haben, gehen auf die neue Arbeitsstelle über.