Sollstundenberechnung bei Krankheit: L-GAV Kommentar muss angepasst werden

Mitarbeitende fehlen manchmal wegen Krankheit oder Unfall einige wenige Tage am Arbeitsplatz. In dieser Zeit besteht trotzdem Lohnanspruch. Die Ausfallstunden müssen deshalb bezahlt werden. Nur ist in der Praxis unklar, wie diese Ausfallstunden berechnet werden. Leider propagiert der L-GAV-Kommentar eine Berechnungsvariante, die rechtlich sehr heikel ist und von den Mitarbeitenden nicht verstanden wird.

Die Vorgesetzten müssen die Einsätze der Mitarbeitenden planen. Die meisten Betriebe setzen die Mitarbeitenden in einer Fünf-Tage-Woche ein, neuerdings kommt aber auch die «Vier-Tage-Woche» auf. Letzteres bedeutet im Regelfall, dass die wöchentliche Sollarbeitszeit innerhalb von vier statt fünf Tagen gearbeitet wird. Ein Arbeitsplan kann also vorsehen, dass eine Mitarbeitende von Mittwoch bis Samstag jeweilen an 10 bis 11 Stunden pro Tag eingesetzt wird und dass sie vom Sonntag bis Dienstag frei hat. Ist diese Mitarbeitende zufällig am Donnerstag und Freitag krank muss geklärt werden, wieviele Ausfallstunden vom Betrieb übernommen werden müssen.

Grenze setzt das Obligationenrecht

Die Lohnfortzahlungspflicht im Falle von unverschuldeten Abwesenheiten wie Krankheit oder Unfall ist in Art. 324a OR geregelt. Dieser Artikel ist relativ zwingend. Eine abweichende vertragliche Regel darf nicht zulasten der Mitarbeitenden gehen. Konkret besagt dieser Art. 324a OR, dass «bei Verhinderung an der Arbeit der darauf geschuldete Lohn zu bezahlen ist.» Damit ist klar, dass eine Abwesenheit an einem Tag, an dem etwa 10 Stunden Arbeit geplant war, nicht dazu führen darf, dass man Minusstunden produziert. Rechnet man aber so, wie der Kommentar zum Art. 15 L-GAV vorgibt, passiert genau das. Denn gemäss L-GAV-Kommentar ist dieser eine Krankheitstag von den Kalendertagen pro Monat abzuziehen und es wird wie folgt gerechnet: (30-1) : 7 x 42 = 174 h . Damit wird wegen diesem Krankheitstag die Soll-Zeit bloss um 6 Stunden reduziert (30 : 7 x 42 = 180 h ). Im Ergebnis führt dies dazu, dass die an einem Arbeitstag kranke Mitarbeiterin nicht 10 Stunden sondern bloss 6 Stunden bezahlt kriegt und faktisch 4 Stunden ins Minus kommt. Das ist klar gesetzeswidrig!

Korrekte Berechnung geht nicht ohne Blick auf die Planung

Die Berechnungsmethode nach L-GAV-Kommentar geht faktisch davon aus, dass man den Arbeitsplan nicht kennt. Dabei muss ja ein solcher zwingend vorhanden sein (Art. 21 L-GAV). Bei einem Krankheitsereignis weiss der Betrieb deshalb immer, wie die Arbeitszeiten wären. Die anzuwendende Regel ist deshalb sehr einfach: Im Falle von Krankheit oder Unfall wird die Zeit bezahlt, welche man gemäss Arbeitsplan nicht arbeiten kann. Erst bei längerer Abwesenheiten macht die Rechnungsweise nach L-GAV Sinn – denn dann plant man ja den Mitarbeiter nicht mehr.

Krank während der Freizeit hat keinen Einfluss auf Arbeitszeit

Bringt der Mitarbeiter ein Arztzeugnis, wonach er nicht nur an Arbeitstagen, sondern auch an Ruhetagen krank war, führt die Berechnung nach L-GAV-Kommentar dazu, dass auch während den Ruhetagen die Soll-Zeit reduziert wird. Geht das Arztzeugnis im eingangs erwähnten Beispiel von Samstag (Arbeitstag) bis zum nächsten Dienstag (Sonntag bis Dienstag sind Ruhetage), rechnet man nach L-GAV-Kommentar wie folgt: (30 – 4) : 7 x 42 = 156 h. Die Mitarbeiterin kriegt faktisch 24 Stunden bezahlt, obwohl sie nur 10 geplante Stunden am Samstag fehlte. Dieses Ergebnis mag den Mitarbeitenden gefallen, ist aber praxisfern. Genauso wie Büroangestellte ihren Vorgesetzten Krankheiten am Samstag oder Sonntag nicht melden, kommunizieren in der Branche angestellte Mitarbeitende ihre Krankheiten an den Ruhetagen auch nicht. Der Regelfall ist also, dass nur an Arbeitstagen die Krankheit registriert wird und an Ruhetagen eben nicht.

Die Konsequenz ist, dass die Berechnungsweise nach L-GAV Kommentar im Regelfalle zu Lasten der Mitarbeitenden geht. Genau das ist aber mit Art. 324a OR nicht vereinbar. Zudem wird sie von den Mitarbeitenden zu Recht nicht verstanden und führt zu Diskussionen und Verärgerung. Es ist also Zeit, den L-GAV-Kommentar anzupassen, damit diese unglückliche und gesetzeswidrige Rechenweise verschwindet.

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