Darf der Arbeitsvertrag vor Stellenantritt einseitig aufgelöst werden?


Die Pandemie brachte viele Unsicherheiten mit sich. Viele Betriebe wussten zu Beginn der Wintersaison nicht, ob sie zu viel oder zu wenig Personal angestellt haben. Geplante Stellenantritte standen deshalb irgendwie in der Luft. Die Frage, ob bereits abgeschlossene Arbeitsverträge noch vor dem effektiven Stellenantritt bereits gekündigt werden können oder nicht, wurde immer öfters gestellt. Die Antwort ist nicht leicht zu finden.

Arbeitsverträge werden im Voraus abgeschlossen. Viele zukünftige Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind immer wieder damit konfrontiert, ob sie den Arbeitsvertrag vorzeitig auflösen sollen und können. Es stellt sich in rechtlicher Hinsicht die Frage, ob ein im Februar abgeschlossener Arbeitsvertrag, der den Arbeitsbeginn auf den Juni vorsieht, bereits im April wieder gekündigt werden kann. So hilfreich es wäre: Aber die Rechtslage ist unklar!

Keine einheitliche Rechtsprechung in der Schweiz

Wenn sich die Mehrheit der Rechtsgelehrten einig sind, spricht man von herrschender Lehre. Die herrschende Lehre ist aber dynamisch und steht nicht still. Während vor Jahrzehnten die Regel galt, dass Arbeitsverträge erst nach effektiven Stellenantritt gekündigt werden können, ist man heute der Meinung, dass dies schon vorher möglich ist. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen können also den im Februar geschlossenen Arbeitsvertrag bereits im April kündigen, wenn der Stellenantritt im Juni wäre.

Es bleibt allerdings die Frage offen, was dies für den Fristenlauf bedeutet: Beginnt die Kündigungsfrist erst mit dem Antrittstermin oder aber schon mit Zustellung der Kündigungserklärung? Gemäss aktueller Praxis der Basler, Berner, Thurgauer und Zürcher Gerichte und einem Teil der Lehre beginnt eine Kündigungsfrist immer erst vom Antrittstermin an zu laufen, egal wann gekündigt wurde. Die einzuhaltende Kündigungsfrist ist dann jene der Probezeit, sofern eine solche vereinbart ist.

Im Kanton St. Gallen, in Genf oder im Appenzell-Innerrhodischen haben die Richter entschieden, dass die Kündigungsfrist bereits mit Empfang der Kündigung zu laufen beginnt. Bis dato hatte das Bundesgericht diese Frage noch nicht zu entscheiden – mit dem Ergebnis, dass keine einheitliche Antwort gegeben werden kann.

Je nachdem, wie die Gerichte die Frage beantworten, ergeben sich finanzielle Folgen. Geht ein Gericht davon aus, dass eine Kündigung vor Stellenantritt nicht möglich ist, dann müssen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einem solchen Fall ihre Arbeitsleistung anbieten und haben Anspruch auf den Lohn während der Probezeit. Aber auch wenn das Gericht der Meinung ist, eine Kündigung sei möglich, können sie schadenersatzpflichtig werden (Stichwort: culpa in contrahendo).

Beide Gerichtspraktiken führen zu unbefriedigenden Ergebnissen: Ist eine Kündigung vor Stellenantritt nicht möglich, so müssen Arbeitnehmende die Stelle antreten, nur um dann in der Probezeit die Kündigung zu erhalten. Ist eine Kündigung möglich, so können beide Seiten, Arbeitgebende wie Arbeitnehmende, jederzeit im Vorfeld mitteilen, dass sie kündigen, sind dann aber schadenersatzpflichtig. Die Verlässlichkeit leidet dann gänzlich. Beide Parteien können so in die Versuchung kommen, leichtfertig Verträge abzuschliessen, weil man sie ja ohne weiteres wieder auflösen kann. Sollte es inskünftig vermehrt dazu kommen, kann man mit entsprechenden Klauseln im Vertrag reagieren. Denn die Kündbarkeit des Arbeitsvertrages vor Stellenantritt könnte schriftlich ausgeschlossen werden.

Andere Rechtslage bei Saisonverträge

Saisonverträge sind zeitlich befristete Verträge. Solche enden ohne Kündigung, wenn diese nicht in einem schriftlichen Vertrag vorgesehen ist. Wenn nun weder eine Probezeit noch eine Kündigungsfrist in einem Vertrag vorgesehen ist, so kann dieser gar nicht gekündigt werden, auch nicht vorzeitig. Wird einem Mitarbeitenden mit einem unkündbaren Saisonvertrag mitgeteilt, dass man den Vertrag nicht halten werde, so kann dieser zu Beginn der Saison seine Arbeit anbieten. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen kommen dann in Verzug (Art. 324 OR) und schulden den Lohn trotzdem.

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